Bettina Sellmann bezeichnet ihre drei Bilder in dieser Ausstellung als „durchsichtige Versionen alter Meister“, das heißt in unserm Fall barocke Meister und deren Porträtauffassung. Die Posen von Herrschern und Adligen fixierten damals auftragsgemäß deren Wichtigkeit und Bedeutung auf ewig für die Nachwelt. Ahnengalerien und Museen sind voll davon. Aber diese Repräsentationsporträts im immer gleichen Darstellungskanon ohne wirkliche Identität hinterm Schleier der Zeit sind heute für uns in die Beliebigkeit gesunken. Sellmann überträgt die Eigenheiten der barocken Bildnisse und den damaligen Zeitgeist metaphorisch kühn auf unsere Gegenwart: „Mehr Schein als Sein“ – versteckt geben Sellmanns Bilder Hinweise auf die Aktualität dieses Mottos. Die neuen fotografischen Posen typisierter Personen werden schon durch ihre Titel ironisiert: A Grassman – ein Grasmann oder Entitlement – Anspruch, letzteres hieß während des Ausstellungsaufbau bei uns nur „Der kleine Prinz“ als Synonym für „Helikopterkind“. Die transparenten Einhausungen von Figuren nehmen durch die flüssigen Farbverläufe den kommenden Zeitschleier vorweg – getreu dem Bibelwort „Es ist alles eitel“, das der barocke Dichter Andreas Gryphius zum Titel eines Gedichts wählte.
Last not least:
Meine Kollegin Kathrin ließ sich zu einer Beobachtung inspirieren, die Ihnen/Euch nicht vorenthalten bleiben soll: „Die kindlichen porzellanartigen Geschöpfe sind keine Charakterköpfe. … Sie sind selbst wie Bonbons, die zerkaut werden. … Diese harmlose Bonbonwelt ist ebenso süß, wie sie Aggressionen auslöst.“